Warum hören sich alte Gitarren besser an?

Akustische GitarreDie meisten Gitarristen und Gitarrenbauer werden bestätigen, dass Gitarren im Laufe der Jahre immer besser klingen. Neue Gitarren müssen zunächst eingespielt werden, bevor Sie Ihren eigenen Klang entwickeln können. Was hier insbesondere für akustische Gitarren gilt, kann bei E-Gitarren nicht nur auf Semi-Akustische Gitarren, sondern auch auf massive Bretter übertragen werden. Aber was passiert eigentlich mit der Gitarre beim Einspielen?

Es wird viel darüber spekuliert, was in einer Gitarre tatsächlich passiert. Ein paar Ansätze sind jedoch bekannt, so dass zumindest einige Faktoren für das Reifen einer Gitarre nachvollzogen werden können. Einer dieser Faktoren ist die Einwirkung von Wasser auf das Holz.

Getrocknetes Holz, wie es in Gitarren verwendet wird, versucht seine eigene Feuchtigkeit der Umgebung anzupassen. Bei hoher Luftfeuchtigkeit nimmt die Gitarre etwas Wasser auf und gibt es bei trockener Luft wieder ab. Das Holz wird dabei durch die Feuchtigkeit etwas weicher, geschmeidiger und beim Austrocknen wieder fester und spröder. Das dünne Holz der Akustischen Gitarren ist hierfür besonders empfindlich, hier kann die Feuchtigkeit sogar bis zur lackierten Seite des Holzes durchdringen und auch wieder durchgängig abtrocknen.

Auch sehr dick lackierte Gitarren weisen diesen Effekt auf, denn die Innenseiten einer akustischen Gitarre sind nie lackiert. Die Gitarre atmet hier durch die Schall-Löcher. Ein Regentag reicht aus um die Luftfeuchtigkeit in die Gitarre zu bringen, trockene Heizungsluft oder ein trockener Tag sorgen wieder für das Abtrocknen. In der Summe verliert die Gitarre dabei immer mehr von der ursprünglichen Restfeuchtigkeit des Holzes.

In den feuchten Phasen kann sich das weichere Holz leichter an Spannungen anpassen und härtet in der neuen Lage beim Austrocknen wieder aus. Die Änderungen der Holzzellen sind für das Auge nicht sichtbar, mit den Jahren entspannt sich das Holz.

Das Trocknen und aushärten findet auch bei Lacken und Klebern statt. Auch wenn moderne Kleber und Lack bereits nach wenigen Minuten fest und belastbar werden und so die Produktion beschleunigen, härten die Kleber noch Wochen oder Monate weiter aus. Teilweise entweichen noch nach Jahren Weichmacher und Lösungsmittel aus Klebern und Lacken und je älter eine Klebeverbindung wird, um so härter wird der Kleber.

Zu all diesen Veränderungen kommen jetzt die Vibrationen der Saiten.

Wirklich positiv verändert sich eine Gitarre nur, wenn sie auch gespielt wird. Die Vibrationen lassen das Holz schwingen und die Holzzellen passen sich den neuen Spannungen an, die durch das Holz wandern.

Das funktioniert sogar bei trockenem Holz. Hier können auch mikroskopisch kleine Risse im Holz entstehen, um die Spannung von der Holzzelle zu nehmen. Die Änderungen sind subtil und nicht sichtbar, das Holz passt sich an um die Spannungen auszugleichen und verbessert dabei die Schwingfähigkeit der Holzdecke in dem gespielten Ton.

Die Anpassung orientiert sich dabei beim Haupteinsatzgebiet der Gitarre: Wenn Du nur in der offenen Lage spielst, werden mit der Zeit diese Akkorde besser klingen. Wechselst Du dann mit Barré in die höheren Lagen, dann klingt Deine Gitarre hier noch immer wie zugeschnürt. Eine gute Gitarre wird über das gesamte Griffbrett eingespielt.

Auch massive Holz-Gitarren ala Stratocaster kennen diesen Effekt. Eine Nitrolackierung ist nicht wasserdicht, das Holz ist zwar geschützt, kann aber immer noch atmen. Dicke Polyesterlacke hemmen zwar das Atmen erheblich, aber auch unter dem Lack verteilt sich die Feuchtigkeit im Holz und entweicht über Ausfräsungen der Pickups oder offene Griffbretter. Die Vibrationen der Saiten sorgen auch hier für eine Anpassung der Gitarre im Schwingverhalten.

Der Effekt ist bei neuen Gitarren stärker, da gerade industriell getrocknetes Holz niemals völlig gleichmäßig trocknet und auch bei intensiver Trocknung eine Restfeuchtigkeit im Holz bleibt. Erst beim Kunden trocknet das Holz mit den Jahren völlig aus. Junge Gitarren entwickeln sich anfangs schneller, zumal wenn sie regelmäßig gespielt werden. Eine langsam und am Ende völlig durchgetrocknete Gitarre wird dann den besten Klang liefern.

Allerdings sollte jetzt niemand hoffen, das jede Gitarre reifen kann. Eine alte Gurke kann sich durchaus auch genau entgegengesetzt entwickeln. Falsch behandelt oder schlicht runter gekommen wird aus einem alten Stück Holz noch keine gute Gitarre. Kauft euch am besten eine Gitarre die bereits jetzt gut klingt und genießt es, wenn Sie mit den Jahren immer besser wird.