Kannst Du es fühlen? Musik ist keine Abfolge von Noten!

Das Problem habe ich mit jedem neuen Stück: Anfangs spiele ich hölzern das nach, was auf dem Papier steht. Die Tonhöhen stimmen, aber das Timing macht Probleme. Das erste Ergebnis ist oft mehr als frustrierend, aber irgendwann löst sich der Knoten und die Musik beginnt zu klingen.

Mein Gitarrenlehrer brachte es immer auf den Punkt: Die Musik ist keine schnell gespielte Abfolge von Noten, man muss den Groove fühlen, es muss klingen.

Wenn ich ein neues Stück übe, durchlaufe ich verschiedene Phasen:

1. Töne finden und in der richtigen Reihenfolge spielen


In dieser ersten Phase geht es für mich gar nicht darum, ob eine Melodie oder ein Riff bereits klingt. Ich suche mir schlicht die richtigen Töne zusammen und versuche mir die Reihenfolge zu merken. Natürlich versuche ich auch bereits die Länge der Töne einigermaßen einzuhalten, aber ich spiele noch nicht mit Metronom.

2. Timing entwickeln


Wenn die Tonfolge sitzt, dann beginne ich mit Fuß-Tappen die richtigen Tonlängen zu üben. Ergänzende Effekte, wie z.B. Vibrato oder Pull-Off/Hammer-On, lasse ich anfangs weg. Ich möchte die Tonfolge mit dem genauen Timing hinbekommen. Auch hier übe ich noch ohne Metronom, ich dehne dabei oft die Takte aus, werde an schwierigen Stellen langsamer.

Ich nutze die Tonbeispiele, die den Lehrbüchern auf CD beigefügt sind, um mir das genaue Timing anzuhören. Habe ich keine CD, gebe ich die schwierigen Teile in Tuxguitar ein und spiele sie ab. Durch Zuhören kann ich das Timing nachahmen und tappe dabei mit dem Fuß den Takt.

3. Verstehen und fühlen


Die Überschrift klingt etwas abgehoben: Hier versuche ich das Stück zu interpretieren und die Tonfolgen auch zu verstehen. Die einzelnen Licks müssen klingen und als logische Folge im Kopf ankommen. Erst wenn der Schalter umspringt und ich die einzelnen Abschnitte verstehe, dann kann ich zur nächsten Phase übergehen.

4. Effekte einbauen


Bei manchen Stücken ist dieser Zwischenschritt nicht erforderlich: Bendings gehören zur Tonhöhe und damit zu Schritt 1, der Rest kommt spätestens jetzt dazu. Um das Timing zu festigen, hilft ein Metronom.

5. Tempo aufbauen


Spätestens ab jetzt regiert das Metronom. Zum Metronom wird das Stück in einem Tempo gespielt, in der die schwierigste Passage gerade noch glatt durchgeht. Die schwierigen Passagen spiele ich besonders oft, einfache Passagen nur selten. Das Tempo für das gesamte Stück steigere ich schrittweise über das Zieltempo hinaus. Gespielt wird später im Originaltempo, das höhere Tempo dient nur der eigenen Sicherheit.


Die Profis unter euch werden vielleicht die eine oder andere Phase schneller durchlaufen oder mehrere Schritte zusammenfassen. Wichtig ist in jedem Fall der 3. Schritt: Wenn der Groove nicht im Kopf ankommt, dann hört sich das ganze später nur merkwürdig an.