Wunde Fingerkuppen

Bevor ich wieder mit der Gitarre angefangen habe, waren meine Fingerkuppen weich und zart (so kam es mir zumindest vor). Dann begann ich Gitarrengriffe zu üben und nach wenigen Minuten fanden sich schmerzhafte Abdrücke der Saiten auf den Fingerkuppen.

Während Nylonsaiten noch relativ dick sind und wenig Spannung haben, sind die Saiten von E-Gitarren grundsätzlich hart und gemein. Die 10er-Saiten auf meiner Les Paul stehen unter hoher Spannung und sind schwer zu drücken. Als Ausgleich dazu sind die 09er-Saiten auf meiner Strat zwar weicher, aber dafür scharf wie Eierschneider. Die Fingerkuppen bilden nach ein paar Wochen intensiver Übung eine Hornhaut, die das schlimmste verhindert.

Es gibt auch andere Methoden die Schmerzen zu mildern: Ist euch schon aufgefallen, dass die Profis mit den Fingern geradezu über die Saiten huschen und die Griffe superschnell wechseln? Das geht nicht mit Kraft. Die Finger drücken präzise und leicht die Saite gerade so stark auf den Bund, dass die Saite nicht scheppert.

Wenn Ihr dagegen Kraft einsetzt, dann benötigt Ihr mehr Zeit. Die Finger werden aufgesetzt und dann durchgedrückt. (Zumindest ich hab das so gemacht.) Wenn der Druck groß genug ist, schafft man es sogar die Saiten zu verstimmen: Die gesamte Gitarre ist top gestimmt, der Akkord scheppert nicht, aber es klingt alles irgendwie daneben. Ich beginne immer dann besonders fest zu drücken, wenn ich unsicher bin oder kurz davor mich zu verhaspeln. Anschließend schmerzen die Fingerkuppen und der Muskel im linken Unterarm.

Dagegen hilft kein Kraft- oder Geschwindigkeitstraining, im Gegenteil: Wenn Ihr einen neuen Griff übt, dann beginnt ganz langsam. Alle Finger betont langsam aufsetzen, jede Saite einmal anschlagen und kontrollieren ob irgendetwas scheppert oder dumpf klingt. Wenn alles passt, die Hand vom Gitarrenhals nehmen, kurz ausschütteln und das Ganze wiederholen. Diesmal mit etwas weniger Druck. Mit jedem neuen Greifen weniger Kraft einsetzen, bis schließlich einzelne Saiten wieder beginnen dumpf zu klingen oder zu scheppern. Fingerstellung kontrollieren und nochmal, anfangs etwas kräftiger, von vorne beginnen.

Anschließend wird der neue Griff im Wechsel mit anderen bekannten Griffen geübt. Auch hier kommt es auf die Geschwindigkeit an: Langsam und präzise aufsetzen, anschlagen und den Ton kontrollieren. Nicht schneller werden, die Finger-Stellung und das präzise Aufsetzen sollen im Kopf ankommen. Die Geschwindigkeit kommt später von alleine, aber gerade das "im Kopf ankommen" betont mein Gitarrenlehrer dagegen immer wieder.

Die Übungen haben mich bereits deutlich vorangebracht: Mittlerweile kann ich auch einmal 2 Stunden am Stück üben, ohne das die Fingerkuppen der linken Hand anschließend aussehen wie Hackfleisch. Trotzdem habe ich wohl noch einen weiten Weg vor mir, um wie ein Profi zu spielen.